Gesetzliche Grundlagen, Sozialrecht



Entwurf der Thüringer Landesregierung des Gesetzes zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen bereitet einen großen Schritt vor!

Der Entwurf für ein neues Gleichstellungsgesetz in Thüringen enthält im §5 Barrierefreiheit einen ganz bemerkenswerten zusätzlichen Satz. Dort heißt es jetzt:

 

§5 Barrierefreiheit

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Straßen, Wege, Plätze, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, insbesondere Dienstleistungen, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Zur Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit gehört auch die Gewährleistung der Verständlichkeit von Informationen, die Bildillustrationen mit einschließt. Eine besondere Erschwernis liegt auch dann vor, wenn Menschen mit Behinderungen die Mitnahme oder der Einsatz benötigter Hilfsmittel verweigert oder erschwert wird, soweit dies nicht durch höherrangige Belange begründet ist.

 

Bitte beachten Sie den fett markierten Satz. Damit wird einerseits die Verständlichkeit (eigentlich mehr die Verstehbarkeit) sprachlicher Informationen eingefordert (Stichworte: 1. Klassenraum-Akustik, 2. Bahnhof-Lautsprecher), andererseits aber auch die von (z. B.) Piktogrammen. Man kann nur hoffen, dass dieser Satz auch in der Endfassung des Gesetzes Bestand hat und dass andere Landesregierungen nachziehen!

 

Übertragungsanlagen sind altersunabhängig verordnungsfähig

Übertragungsanlagen sind altersunabhängig zusätzlich zu anderen Hörhilfen verordnungsfähig. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) am 19. Juli 2018 klargestellt. Der GBA entscheidet über die Mittelverteilung im Gesundheitswesen. Ihm gehören Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenhäuser und der Pharmaindustrie an. Patientenvertreter haben dort beratende Funktion.

Durch die Änderungen der Hilfsmittel-Richtlinie werden die Verordnungsmöglichkeiten von Übertragungsanlagen auf Erwachsene erweitert und an die aktuelle Rechtsprechung angepasst. Sie können nunmehr altersunabhängig zusätzlich zu einer bereits erfolgten Versorgung mit Hörhilfen oder einem Cochlea-Implantat verordnet werden. 

Übertragungsanlagen sind Hilfsmittel, die aus Sender und Empfänger bestehen und die Signale über Funk, Bluetooth oder Infrarot übertragen. Sie waren bislang nur für Kinder und Jugendliche im Rahmen der gesetzlichen Schulpflicht verordnungsfähig. Mit Inkrafttreten des Beschlusses können nunmehr auch Erwachsene Übertragungsanlagen zur Verbesserung des Sprachverstehens nutzen. Eine Verordnung ist möglich, wenn trotz bestmöglicher Hörgeräteanpassung im täglichen Leben kein ausreichendes Sprachverstehen erreicht wird. Übertragungsanlagen können außerdem für die Sprachentwicklung oder Sprachförderung verordnet werden beziehungsweise soweit sie für das Sprachverstehen in Kindergarten, Schule oder schulischer Ausbildung erforderlich sind. Darüber hinaus sind Übertragungsanlagen verordnungsfähig, wenn bei peripherer Normalhörigkeit aufgrund einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung eine pathologische Einschränkung des Sprachverstehens im Störschall besteht. Diese muss durch einen Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie diagnostiziert werden. Bei Erwachsenen kann die Diagnose auch durch einen Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde erfolgen.

Wenn eine gesicherte Diagnose durch einen Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie oder für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde vorliegt, kann die Übertragungsanlage auf Muster 16 verordnet werden. Grundsätzlich müssen die Krankenkassen vorab genehmigen.

Auch die Versorgungsziele in der Hilfsmittel-Richtlinie wurden angepasst. Unter anderem wurde klargestellt, dass durch eine Versorgung mit Hörgeräten auch das sogenannte räumliche Hören verbessert werden soll. Das räumliche Hören ist speziell für Menschen wichtig, die eine zusätzliche Sehbehinderung haben. Denn dadurch kann das eingeschränkte visuelle Orientierungsvermögen kompensiert werden.

Anmerkung: 2013 hatte ich die Gelegenheit, im GBA als Vertreter für den DSB und die DCIG in Berlin die drei Klangbeispiele (ohne und mit einer Beschallungsanlage sowie mit Direktübertragung) vorzuführen. Alle Ausschuss-Mitglieder waren erstaunt über die gewaltige Verbesserung der Sprachverständlichkeit (auch und sogar für Guthörende). Vielleicht war das ein kleiner Beitrag zu dieser wichtigen Entscheidung?