5.2.3 Exkurs „Kann man Kommunikationsräume überdämpfen?“
Bisweilen wird berichtet, dass Kommunikationsräume, welche rechnerisch nach der Raumgruppe A4 geplant und ausgestattet wurden, von den Nutzerinnen als „überdämpft“ bezeichnet würden. Die Sprache käme „hinten“ dann nicht mehr laut genug an. Das wird dann als Begründung herangezogen, dass die Nachhallzeiten nach DIN 18041, Raumgruppe A4, keinesfalls unterschritten werden sollten. Das ist zumindest „ziemlich unglaubwürdig“, denn die Untersuchungen von Oberdörster und Tiesler (2006) belegen ganz eindeutig, dass dadurch nicht nur die Störgeräuschpegel verringert werden, sondern dass eine Minimierung der Nachhallzeit den Sprachübertragungsindex STI maximiert. Siehe hierzu auch die Abbildung 5.2.2 im Kapitel 5.2.
Ruhe und Malessa (2022c und 2022d) haben im Rahmen anderweitiger Untersuchungen auch die Sprachverständlichkeit und die Schallpegelabnahme in zwei Räumen derselben Schule untersucht, deren Nachhallzeiten sich etwa wie 1:2 unterscheiden.
Abbildung 5.2.3 Nachhallzeit, STI- und SPL-Verteilung in zwei Räumen mit "halber" und "doppelter" Nachhallzeit
Während bei der Sprachverständlichkeit in dem halligeren Klassenraum weiter hinten schon der Grenzbereich zwischen „gut“ und „befriedigend“ erreicht wird, liegen in dem Raum mit sehr kurzer Nachhallzeit die Werte auch hinten noch im Bereich „ausgezeichnet“.
Natürlich ist es mit der stärkeren Schalldämpfung hinten etwas leiser. Theoretisch hätte man hinten (im sogenannten „Hallfeld“) bei Halbierung der Nachhallzeit eine Pegelminderung um 3 dB erwarten müssen. Tatsächlich waren es aber nur 1,6 dB. Möglichweise wirkt sich hier die Richtwirkung des Sprecherinnen-Mundes aus? Die Schallpegelminderung ist aber bei Weitem nicht so groß wie im Freien (oder im „schalltoten Raum“). Diese Pegelabnahme wird durch den zusätzlich eingetragenen grauen Kurvenverlauf im rechten Diagramm symbolisiert.
Welche Auswirkungen die Verkürzung der Nachhallzeiten in Klassenräumen auf den Hintergrundgeräuschpegel, also das Störsignal, haben und wie sehr sich mit der Dämpfung – trotz des etwas geringeren Sprachschallpegels – der Abstand zwischen Nutz- und Störsignal, der sogenannte SNR, vergrößert, wurde von Oberdörster und Tiesler (2006) und in der Essex-Studie (2012) eindrücklich nachgewiesen. Genaueres dazu ist im Exkurs zum Lombard-Effekt zu lesen…
Wie kann es denn sein, dass trotz dieser theoretisch hervorragenden Wirkungen in der Praxis bei der starken Schalldämpfung doch noch Beanstandungen auftreten?
· In dem gedämpfteren Raum werden alle etwas leiser sprechen, siehe hierzu die Ergebnisse der Essex-Studie.
· Wenn auf die Montage eines schallabsorbierenden Rückwandpaneels verzichtet wurde, dann hört die Lehrerin bei Schallausbreitung über die Köpfe der Kinder hinweg ihr eigenes Echo, nimmt dies aber wegen der sehr kurzen Verzögerung von nur etwa 38 ms noch nicht als „Echo“ wahr, wird aber davon irritiert. Deshalb spricht sie etwas leiser.
· Noch fehlt die Gewöhnung daran, dass der Klassenraum jetzt anders klingt, teilweise auch mit der Empfindung von „Druck auf den Ohren“. Hier macht Übung die Meisterin.
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